Authentizität von Bioprodukten

Bioprodukte

Bioprodukte sind Produkte, die nach der EG-Öko-Basis-Verordnung 834/2007 und derer Öko-Durchführungs-Verordnung 889/2008 produziert und vermarktet werden. In den letzten Jahren stieg die Nachfrage von Bioprodukten kontinuierlich an. Ein Grund hierfür ist das steigende Interesse des Verbrauchers an art-, tier- und umweltgerecht produzierten Lebensmitteln. Aufgrund wiederholter Berichte über Missstände bei der Massentierhaltung und vereinzelten Skandalen im Rahmen der Lebensmittelproduktion, greifen viele Verbraucher vermehrt auf Bioprodukte zurück. Zu deren Unterscheidung von konventionell erzeugten Lebensmitteln wurden verschiedene Biosiegel eingeführt:



Doch ist auch überhaupt überall „Bio“ drin, wo „Bio“ drauf steht? Obwohl Bioprodukte in einem höheren Preissegment angesiedelt sind, kam es bereits wiederholt zu Lieferengpässen aufgrund der gestiegenen Nachfrage. Dadurch könnte die Möglichkeit bestehen, dass Erzeuger und Händler Lebensmittel, die nicht auf Basis der o.g. Verordnungen erzeugt wurden, als Bioprodukte zu deklarieren. Allerdings muss damit gerechnet werden, dass bereits einzelne schwarze Schafe das Vertrauen des Verbrauchers in Bioprodukte erschüttern könnten. Deshalb ist es zum Schutz des Verbrauchers und der Produzenten von Bioprodukten außerordentlich wichtig, Bioprodukte nicht nur anhand der Verpackung (in Form des aufgedruckten Biosiegels) eindeutig von konventionell erzeugten Lebensmitteln unterscheiden zu können, sondern auch bezüglich des Inhalts. Um dies zu prüfen, bedarf es besonderer analytischer Methoden. Eine derartige Authentifizierung von Bioprodukten im Labor ist jedoch bei vielen Produkten nicht immer einfach. Ein Forschungsgebiet in unserem Arbeitskreis ist die Authentifizierung von biologisch erzeugten Lebensmitteln durch Entwicklung und Einsatz geeigneter analytischer Methoden.

Phytansäure als Marker für Biomilch und Milchprodukte

Die analytische Differenzierung von Biomilch und konventioneller Milch beruht auf Unterschieden im Futter der Kühe und der damit verbundenen unterschiedlichen Gehalte bestimmter Fettsäuren, die als Markersubstanzen für Authentizitätsprüfungen herangezogen werden können. Zu diesen Markersubstanzen zählt α-Linolensäure (18:3n-3), deren Aufnahme mit der Nahrung als gesundheitsfördernd gilt. Daher gibt es auch Bestrebungen, den Gehalt dieser n-3-Fettsäure (oder Omega-3-Fettsäure) in konventionell erzeugter Milch zu erhöhen. Dies schränkt die langfristige Verwendung von α-Linolensäure als Marker für Bioprodukte ein. Eine weitere Markersubstanz zur Unterscheidung von Biomilch über das Fettsäuremuster von Milchfett aus Kühen konventioneller Haltung wurde von uns kürzlich in Form der Phytansäure vorgeschlagen (Food Chem. 119 (2010) 746-752 (DOI: 10.1016/j.foodchem.2009.07.027)).

Phytansäure selbst kommt nicht in der Natur vor, sondern dessen Vorstufe Phytol wird von Wiederkäuern mit dem Chlorophyll „grüner“ Nahrung aufgenommen (Abb. 1).



Abbildung 1: Phytansäurebiosynthese

Im Pansen von Wiederkäuern wird zunächst das in der Seitenkette des Chlorophylls enthaltene Phytol freigesetzt. Nach Oxidation zur Carbonsäure und Biohydrogenierung entsteht aus Phytol die Phytansäure (Abb. 1).
Somit ist die Verfütterung von Grünfutter Voraussetzung für das Vorliegen von Phytansäure in Milch, und mit dem Grünfutteranteil im Futter steigt auch der Phytansäuregehalt.
Mit unserer speziell für die Analyse von Phytansäure entwickelten GC/MS-SIM Methode gelingt es, diese Spurenfettsäure (Anteil an Milchfett <0,5%) sicher und empfindlich in Lebensmitteln zu bestimmen. Die Methode stellt eine Modifizierung der von uns für gesättigte Fettsäuren entwickelten SIM-Methode dar. Im GC/MS-Spektrum von Phytansäuremethylester tritt – neben dem klassischen McLafferty-Ion für gesättigte Fettsäuren bei m/z 74 – die Spaltung zwischen C-3 und C-4 aufgrund der Methylgruppe an C-3 bei m/z 101 anstelle von m/z 87 bei „normalen“, d.h. nicht methylverzweigten Fettsäuren, auf (Abb. 2).



Abbildung 2: GC/EI-Massenspektrum von Phytansäure als Methylester

Dieses Fragmentierungsschema ist in Verbindung mit der GC-Retentionszeit so einmalig und eindeutig, dass der Nachweis von Phytansäure sicher gelingt (Food Chem. 119 (2010) 746-752 (DOI: 10.1016/j.foodchem.2009.07.027)). Mit dieser Methode konnten wir inzwischen eine große Anzahl von Milch und Milchprodukten analysieren (Abb. 3).



Abbildung 3: GC/EI-MS-Chromatogrammn der Fettsäuremethylester aus einer Milchprobe mit Phytansäure als Minorkomponente

Unsere ersten Untersuchungen von Proben aus dem Lebensmittelhandel belegten, dass Phytansäure in der Tat im Milchfett von Biomilch und biologisch erzeugten Milchprodukten deutlich höher konzentriert war als in konventionellen Produkten (Food Chem. 119 (2010) 746-752 (DOI: 10.1016/j.foodchem.2009.07.027)). Zudem wurde von uns ein Wert von 200 mg/100 g Milchfett als untere Grenze für Bioprodukte vorgeschlagen. Dieser Wert wurde mit einer Ausnahme in allen untersuchten Bioproben überschritten (Food Chem. 119 (2010) 746-752 (DOI: 10.1016/j.foodchem.2009.07.027)).

In einer nachfolgenden Studie haben wir Milchproben von der Hohenheimer Versuchsanstalt für Nutztierbiologie (tägliche zweimalige Entnahme von Milch einer bestimmten, mit Standardkraftfutter gefütterten Kuh über den Zeitraum von 15 Tagen) und Milchproben aus einem zertifizierten Biohof (Grünfutterfütterung) vergleichend analysiert. Es bestätigte sich erneut, dass der Phytansäuregehalt fütterungsbedingt in Biomilch (Nahrung: Grünfutter) deutlich höher war als in konventionell erzeugter Milch (Nahrung: Kraftfutter) (Abb. 4).



Abbildung 4: Zeitlicher Verlauf der Phytansäure-Gehalte [g/100g Milchfett] in Biomilch (grün) und konventioneller Mich (blau)

Zudem zeigte sich, dass der Phytansäuregehalt bei gleichbleibender Fütterung auf beiden Höfen nur vergleichsweise geringen Tag-zu-Tag-Schwankungen unterworfen war und dass keine Unterschiede zwischen Morgen- und Abendmilch nachzuweisen waren. Bezogen auf das Milchfett enthielten die Milchproben der konventionell gefütterten Kühe von der Versuchsstation durchweg signifikant niedrigere Gehalte an Phytansäure als Milchproben vom Biohof (Abb. 4). Die Mittelwerte unterschieden sich um mehr als Faktor 2. Auch lagen alle Biomilchproben über dem Prüfwert von 0,2 g/100 g Milchfett und alle konventionell erzeugten Milchproben darunter (Abb. 4).
Die Eignung der Phytansäure als Marker für Biomilchprodukte wurde somit bekräftigt.
Ebenfalls niedere Gehalte an α-Linolensäure (18:3n-3) und Eicosapentaensäure (EPA, 20:5n-3) wurden in den Milchproben der Kuh, die mit Kraftfutter gefüttert worden war, bestimmt (Eur. Food Res. Technol. 232 (2011) 167-174 (DOI 10.1007/s00217-010-1374-8)).

Bei der GC-Analyse von Phytansäure fällt auf, dass das Signal von Phytansäure breit ist (Abb. 2, oben). Bei der genauen Betrachtung erkennt man, dass Phytansäure aus zwei Peaks besteht. Die Erklärung hierfür ergibt sich aus der Biosynthese. Im Phytol liegen an den C-Atomen C-7 und C-11 stereogene Zentren vor, die jeweils (R)-konfiguriert sind. Bei der Umwandlung in Phytansäure entsteht an C-3 ein drittes stereogenes Zentrum, das sowohl (R)- und (S)-konfiguriert sein kann. Daher entstehen bei der bereits diskutierten Umwandlung von Phytol die beiden Diasteromeren RRR- und SRR-Phytansäure (Abb. 1, oben). Diastereomere besitzen unterschiedliche physikochemische Eigenschaften und können bei sorgfältiger Auswahl der GC-Bedingungen getrennt werden. Mit Hilfe eines optimierten GC-Ofenprogramms gelang uns eine verbesserte Trennung der Phytansäurediastereomere. (Abb. 5)



Abbildung 5: GC/MS-Chromatogramm der verbeserten Diastereomerentrennung von Phytansäure in Biomilch(grün) und konventioneller Milch (blau)

Der Vergleich der Biomilchproben mit den konventionellen ergab durchgängig ein unterschiedliches Diastereomerenverhältnis (JAOCS 88 (2011) 341-349 (DOI 10.1007/s11746-010-1682-y)). So lagen beide Diastereomere in Biomilch fast zu gleichen Anteilen vor, während in konventioneller Milch das ersteluierte Diastereomer stets stärker vertreten war (Abb. 5). Dieses Bild ergab sich für alle Milchproben (Abb. 6) aber nicht in dieser Ausprägung bei Milchprodukten. Für Milch jedoch scheint neben dem höheren Gehalt an Phytansäure auch ein ausgeglicheneres Diastereomerenverhältnis typisch für biologische Erzeugung zu sein.



Abbildung 6: Diastereomerenverhältnis SRR zu RRR in Biomilch (grün) und konventionell erzeugter Milch (blau). Die gestrichelte Linie bei 1 sagt aus, dass dort beide Diastereomere in gleichen Mengen vorliegen.

Phytansäure wird wie andere Fettsäuren auch vom Körper verwertet. Es gibt allerdings ein äußerst seltenes Krankheitsbild, das sog. Refsum-Syndrom. Bei den Betroffenen ist der Stoffwechsel speziell von Phytansäure gestört. Die Betroffenen müssen daher phytansäurehaltige Nahrung meiden und dürfen folglich keine Milch und kein Fleisch von Wiederkäuern zu sich nehmen (egal ob Bio oder konventionell). Desweiteren müssen sie auf Fisch verzichten. Vermutlich sind etwa 10 Personen in Deutschland vom Refsum-Syndrom betroffen.