Gegenstromverteilungschromatographie (CCC)

Die Gegenstromverteilungschromatographie (counter-current chromatography, CCC) ist eine Ende der 1960er Jahre entwickelte Trenntechnik, die aber bis heute leider nur einen relativ geringen Bekanntheitsgrad unter Analytikern erreicht hat. Bei der CCC nutzt man Verteilungsprozesse zwischen zwei nicht mischbaren flüssigen Phasen aus [Ito & Bowman, Science 167 (1970) 181]. Die Trennung beruht auf der unterschiedlichen Affinität der Probenbestandteile in den Phasen, aber nicht wie bei der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (high performance liquid chromatography, HPLC) oder der Säulenchromatographie auf Adsorptionseffekten. Da bei der CCC keine feste stationäre Phase verwendet wird, ist eine irreversible Adsorption von Probenbestandteilen sowie eine Gefahr des Probenabbaus an aktiven Oberflächen im System nicht gegeben.

Anfang der 1980er Jahre führte Ito die sogenannte J-Typ planetarische Zentrifuge ein, die seither standardgemäß in den kommerziellen Geräten verwendet wird. Bei diesen hydrodynamischen Geräten wird die stationäre Phase innerhalb einer sich planetarisch bewegenden Spule festgehalten, während die mobile Phase durch das System gepumpt wird. Das zentratem gepumple Element eines CCC-Systems (Abbildung 1) stellt eine mehrschichtige Spule dar, die auch als Multilayer-Spule bezeichnet wird. Eine Multilayer-Spule ist eine mit mehreren Schichten eines PTFE-Schlauchs umwickelte Spule. Üblicherweise werden drei oder mehr solcher helikaler Spulen seriell gekoppelt und so in eine Zentrifuge integriert, dass alle Spulen denselben Abstand zur Zentralachse der Zentrifuge haben und die Längsachsen der Spulen parallel zur Zentralachse ausgerichtet sind (siehe Abbildung 2). Die in der Zentrifuge angeordneten Spulen führen eine planetarische Bewegung aus, d.h. sie drehen sich um die Zentralachse der Zentrifuge und gleichzeitig mit gleicher Winkelgeschwindigkeit (ω) und in gleicher Richtung um ihre jeweilige Rotationsachse. Diese spezifische Anordnung sorgt dafür, dass sich die Schlauchverbindungen zwischen den einzelnen Spulen und der Zentralachse während der Planetenbewegung nicht verdrillen können [Y. Ito, J. Chromatogr. A 1065 (2005) 145-168].

Abbildung 1: Schematischer Aufbau eines CCC-Systems

Abbildung 2: Foto der drei in einer CCC-Zentrifuge installierten, seriell gekoppelten Spulen

Eine solche Bewegung hat zwei Hauptfunktionen bei einer CCC-Fraktionierung. Mit dieser planetarischen Bewegung wird gewährleistet, dass die mobile Phase ohne Verlust und Kontamination kontinuierlich durch die Trennsäule eluiert werden kann. Zudem wird eine spezifische hydrodynamische Bewegung von beiden flüssigen Phasen innerhalb der rotierenden Multilayer-Spule erzeugt.
Zwei miteinander nicht mischbare flüssige Phasen werden in eine rotierende Spule mit geschlossenen Enden eingeführt, und diese Rotationsbewegung führt zu einer vollständigen Trennung der beiden Phasen entlang der Länge der Spule. Bei der CCC wird effektiv nur die mobile Phase schnell durch das System transportiert, während die stationäre Phase weitgehend in den Spulen verbleibt [Y. Ito, J. Chromatogr. A 1065 (2005) 145-168].

Durch die Planetenbewegung wirken permanent wechselnde Kräfte auf die mobile Phase und die stationäre Phase, wodurch häufige Mischungs- und Entmischungsvorgänge im Trennschlauch entstehen und der Innenraum der Spule in zwei Teilen (Mischungs- und Entmischungszone) unterteilt wird. Da jede Mischungszone mit der Geschwindigkeit von einer Rotationsrunde pro Umdrehung um die Zentralachse durch die Spule läuft, ergibt sich aufgrund der hohen Anzahl solcher Zonenabfolgen eine große Phasengrenzfläche, an der zahlreiche Verteilungsgleichgewichte während des Transports der Probe durch das System stattfinden, so dass eine hohe Trennleistung erzielt wird [Y. Ito, J. Chromatogr. A 1065 (2005) 145-168].

Heutzutage wird die CCC als eine effiziente, präparative Trenntechnik angesehen und weitgehend für die Isolierung und Aufreinigung verschiedenster natürlicher und synthetischer Produkte verwendet [Y. Ito, J. Chromatogr. A 1065 (2005) 145-168].

Einflussfaktoren auf die CCC-Trennung

Bei der CCC-Technik wird ein Zweiphasen-Lösungsmittelsystem statt eines definierten festen Säulenmaterials wie z.B. bei der konventionellen chromatographischen Trennung eingesetzt. Das Lösungsmittelsystem besteht aus zwei miteinander nicht mischbaren flüssigen Phasen, eine davon wird als stationäre Phase und die andere als mobile Phase eingesetzt. Die Suche nach einem geeigneten Lösungsmittelsystem für die Zielverbindung(en) ist dabei die wichtigste Vorarbeit für eine erfolgreiche Anwendung der CCC. Um ein geeignetes Lösungsmittelsystem zu finden, sollten folgende Voraussetzungen erfüllt werden [Y. Ito, J. Chromatogr. A 1065 (2005) 145-168]:

Die von der vorgeschalteten Pumpe festgelegte Flussrate der mobilen Phase bestimmt die Trennzeit, die Retention der stationären Phase und dadurch auch die Peak-Auflösung. Niedrige Flussraten erhöhen einerseits die Retention der stationären Phase und verbessern dadurch die Peak-Auflösung, andererseits verlängern sie die Trennzeit. Längere Trennzeiten bedeuten auch breitere Peaks.

Letzten Endes sollen die Geräteparameter bei der CCC hinsichtlich verschiedener Verwendungszwecke unter Berücksichtigung aller Einflussfaktoren optimiert werden.




Abbildung 3: Foto der CCC-Coils (links) ohne und (rechts) mit aufgewickeltem PTFE-Schlauch


Unsere Anwendungen der CCC

Die Leistungsstärke der CCC liegen zum einen in der großen Probenkapazität (unser System: 0,5-1 g) und zum anderen in der Möglichkeit, Naturstoffe aus Lebensmitteln oder Pflanzen zu isolieren. Für komplexe Probleme hat sich die von uns vorgeschlagene zweistufige Vorgehensweise bewährt [Schröder & Vetter, J. Chromatogr. A 1237 (2012) 96-105]. Dieses beruht auf (1.) einem Anreicherungsschritt gefolgt von (2.) einem Isolierungsschritt.


1. Der Anreicherungsschritt

Der Anreicherungsschritt basiert auf der CCC Fraktionierung der Probe (Gewinnung von z.B. 30 Fraktionen). Diese werden dann umfassend mittels GC/MS untersucht. Diese Technik setzten wir bereits erfolgreich sowohl im Bereich der Polyhalogenverbindungen [Kapp & Vetter, J. Chromatogr. A 1216 (2009) 8391-8397][Vetter et al., Chemosphere 84 (2011) 1117-1124] als auch der Phytosterole [Schröder & Vetter, Anal. Bioanal. Chem. 400 (2011) 3615-3623] [Schröder & Vetter, J. Chromatogr. A 1237 (2012) 96-105] und der Fettsäuren [Li et al. Chromatographia 75 (2012) 1-6][Schröder & Vetter, J. AOCS 90 (2013) 771-790] ein. Aufgrund der guten Verteilung der Inhaltstoffe in die einzelnen Fraktionen ermöglicht die GC/MS-Analyse den Nachweis von vielen Verbindungen, die ohne Fraktioniernug nicht detektierbar sind. Durch Verknüpfung der Daten in einem 2D-Plot können strukturelle Zusammenhänge und Unterschiede innerhalb einer Substanzklasse sichtbar gemacht werden (Abbildung 4):




Abbildung 4: 2D-Kontourplot der CCC Fraktionen (Y-achse) über die GC/MS Retentionszeit (X-Achse) der wichtigsten Komponenten des Chlorpestizides Toxaphen. Die Zahlen geben den Chlorierungsgrad an [Kapp & Vetter, J. Chromatogr. A 1216 (2009) 8391-8397).



2. Der Isolierungsschritt

Aus den Fraktionen des Anreicherungsschritts können nun diejenige ausgewählt werden, die interessante Verbindungen enthalten. Dabei können auch Fraktionen kombiniert werden. Auf diese Weise konnten wir bereits mehrere Fettsäuren [Li et al. Chromatographia 75 (2012) 1-6] (Abbildung 5) und Phytosterole [Schröder & Vetter, J. Chromatogr. A 1237 (2012) 96-105] (Abbildung 6), aber auch polyhalogenierte Verbindungen in Reinform isoliert werden. Somit ist die CCC zu einem wichtigen Werkzeug für beide Substanzklassen (Lipidbestandteile und Pollyhalogenverbindungen), die in unserem AK vorrangig untersucht werden, geworden.


Abbildung 5: GC/MS-Chromatogram der mittels CCC aus Fischöl isolierten seltenen Fettsäure 16:4n-1 (mit einer endständigen Doppelbindung) [Li et al. Chromatographia 75 (2012) 1-6]

Abbildung 6: GC/MS-Chromatogramm (als Trimethylsilylether gemessen) des mittels CCC aus Pflanzenöl gewonnenen Campestanols [Schröder & Vetter, J. Chromatogr. A 1237 (2012) 96-105]